Astronomen und Geologen, doch auch private Sammler sind von Meteoriten fasziniert. Nicht nur ihre mutmaßliche Herkunft aus dem Sonnensystem ist spannend, sondern oft auch die Identifizierung ihrer Mutterkörper. Von der Untersuchung der seit den 1980er Jahren bekannten Marsmeteoriten erhoffen sich die Forscher tiefere Erkenntnisse über die Geschichte unseres »roten Nachbarn« Mars.

Shergotty – der erste gefundene Marsmeteorit

In Indien war im Sommer 1865 der erste Meteorit gefallen, den die Wissenschaftler jedoch erst in den 1980er Jahren als Marsmeteoriten identifizieren konnten. Die 5 kg schwere Probe »Shergotty« (nach dem Fallort) wies starke Übereinstimmungen mit Gesteinsproben anderer Fundstücke vom Mars auf. Eigenschaften des Mutterkörpers wurden beim Fund dieses Abbruchstücks noch nicht erkannt, sondern erst bei der Untersuchung weiterer Exemplare. Als mit der Zeit immer mehr solcher gleichartigen Steine auftauchten, wurden die Funde von unserem Nachbarn im Sonnensystem zur »Shergotty«-Gruppe zusammen gefasst.

1979 wurde in einem der Eisfelder der Antarktis der knapp 8 kg schwere Meteorit EETA 79001 entdeckt. Der Fund vom Mars war durch den Fall auf kalten Grund nur gering verwittert. Obwohl der Marsmeteorit »Shergotty« zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, ergab erst die Untersuchung dieses späteren Fundes die Zugehörigkeit beider Fallbeispiele zum gleichen Mutterkörper unseres Sonnensystems. Erst jetzt wurden dieser und weitere ähnliche Meteoriten als »Shergotty«-Gruppe aufgenommen.

Ebenfalls erst später richtig identifiziert: Chassigny

Schon seit 1815 war der Meteorit »Chassigny« auf die Erde gefallen und sein Eintreffen aus dem Sonnensystem in Augen- und Ohrenzeugenberichten des Ortes Chassigny (Frankreich) beschrieben worden. Seine Zusammensetzung aus Dunit (Mantelgestein, bekannt von der Erde bis in 400 km Tiefe) deutet darauf hin, dass die Kollision, die mehrere Bruchstücke aus dem Mutterkörper schlug, sehr tief in die Marsoberfläche eindrang.

Im Gegensatz zu allen anderen Marsmeteoriten enthält das Gestein jedoch andere Edelgaskompositionen als die bekannte Atmosphäre des Mars. Die Wissenschaftler meinen, dass dies mit der kumulierten Natur des Fundstückes und nicht mit einer andersartigen Zugehörigkeit zu erklären sei.

Das Szenario, das einst den Mutterkörper der eigenen Meteoritengruppe der Marsmeteoriten heimsuchte, muss verheerende Auswirkungen auf den getroffenen »Roten Planeten« gehabt haben. So wurde in einigen Fundstücken Mantelgestein vom Mars gefunden. Dunit, so die geologisch korrekte Bezeichnung dieses Gesteins, kommt in den terrestrischen Planeten des Sonnensystems in den tieferen Schichten der Planetenkruste vor, auf der Erde in bis zu 400 Kilometern Tiefe. Einige der Meteoriten erlangten durch ihren spektakulären (und nicht ungefährlichen) »Auftritt« internationale Berühmtheit.

Die Legende vom »Nakhla-Hund«

Der Marsmeteorit »Nakhla« fiel im Sommer 1911 in Ägypten vom Himmel. Sein Bruch in einen ganzen Regen von Meteoritentrümmern versetzte die Augenzeugen in Panik. Die größten Fragmente des Meteoriten bohrten sich bis zu einem Meter tief in die Erde. Dass der Mutterkörper der »Nakhla« Fundstücke der Mars war, konnten die Menschen nicht ahnen. Doch die Erleichterung nach dem Getöse mit anschließendem »Steineregen« von unserem Nachbarn im Sonnensystem war groß: Bis auf ein Wesen kamen wohl alle glimpflich bei dem Meteoriteneinschlag davon.

Ein Farmer berichtete damals, ein Fragment des Meteoriten sei direkt auf einem Hund gelandet und habe das Tier regelrecht verdampft. Niemand sonst beobachtete dieses Szenario. Auch fanden sich bei späteren Untersuchungen der Fragmente des Marsmeteoriten »Nakhla« keinerlei Restspuren. So wurde aus dem vielleicht unglücklich getroffenen Tier eine regelrechte Astronomenlegende.

Etwas anderes bewies die Untersuchung der Bruchstücke aus dem Sonnensystem sehr wohl: Auf dem Mutterkörper fanden einst wässrige Prozesse statt. Jüngere Untersuchungen fanden Spuren im Gestein, die für das einstige Vorhandensein bakterieller Lebensformen auf dem Mars sprechen, zumindest vor der Katastrophe, die uns die späteren Meteoritenregen »bescherte«.

Unfreiwillig »hautnah«: Der Fall des Marsmeteoriten »Zagami«

Szenario wie das im Oktober 1962 in Nigeria gibt es sonst nur im Kino. Ein Meteorit löste bei seinem Fall eine starke Explosion aus, die einen 10 Meter daneben befindlichen Bauern regelrecht umriss. Als Rauch und Donner wieder fort waren, wurde aus 2 Metern Tiefe der 40 Pfund schwere Marsmeteorit »Zagami« ausgegraben und blieb bis heute der größte zusammenhängende Meteoritenfund vom Mars.

Seine Untersuchung schürte wiederum jene Evolutionsgedanken, die den Ursprung des Lebens auf der Erde anderswo im Sonnensystem vermuten und als Theorie die Ablösung der Bruchstücke vom Mutterkörper und deren späteren Fall auf unserem Planeten als ursächlich dafür benennen.

Vorweihnachtlicher Schreck: Marsmeteorit »Kaidun«

1980 war Al-Khuraybah (Jemen) noch eine sowjetische Militärbasis. Dort fiel Anfang Dezember ein 2 kg schwerer Marsmeteorit zur Erde, ohne zu zerbrechen. Untersuchungen klassifizierten »Kaidun« als nicht direkt vom Mars stammend. Jedoch könnte sein Mutterkörper einer der Marsmonde sein. Denn von keinem anderen Bruchstück von anderen Himmelskörpern im Sonnensystem ist eine vergleichbare Zusammensetzung bekannt.

Seltsame Mineralien wurden im Innern des Marsmeteoriten »Kaidun« gefunden. Zunächst hielten die Forscher »Phobos« (Marsmond) für den Mutterkörper, da in anderen Gesteinsproben alkalische Reste gleicher Zusammensetzung gefunden worden waren.

Doch die Differenzierung spricht für eine Herkunft von anderswo im Sonnensystem. Neuere Vergleiche sehen »Deimos« (Marsmond) als Herkunftsort an, weil er näher am Mars kreist und einige der seltenen Mineralien besser erklären würde. Möglicherweise wurden bei der Kollision eines Asteroiden und / oder beim späteren Wegfliegen der Splitter auch Marsmonde getroffen.

Fall des Marsmeteoriten »Bassikounou« in Mauretanien (Sahara)

Der neunte beobachtete Fall eines Marsmeteoriten im Oktober 2006 war für Mauretanien das dritte derartige Ereignis. Der Meteorit »Bassikounou« (Name des Fallortes) fiel vom Mars als glühender Stein in die Erdatmosphäre ein, zerbrach nach 30 Sekunden Flug in 3 Teile, später in einen Meteoritenschauer.

Die Nomaden des Fallgebietes brachen während der Explosion in Panik aus und begannen nach Ende des »Feuerwerks« aus dem Sonnensystem mit der Suche nach Bruchstücken. Etwas über 3 kg stellten sie sicher, bevor das mauretanische Militär weitere Steine beschlagnahmte und selbst nach Resten des damals noch unbekannten Mutterkörpers suchte.

Europa und schließlich Deutschland erfuhren erst Monate später von dem Fall des Meteoriten. Zufällig »ergatterte« ein deutscher Verwandter eines Einheimischen ein Stück des Marsmeteoriten und brachte es an die Universität Bern (Schweiz) zur Analyse. Dort wurde im »Meteoritical Bulletin 92«, erschienen 2007, die Herkunft vom Mars bekanntgegeben. Die Untersuchung des Steins aus dem Sonnensystem ist noch nicht besonders ergiebig, da viele Stücke dieser Trümmer vom Mutterkörper weiterhin in Gewahrsam des mauretanischen Militärs verblieben sind.

Marsmeteorit »Tissint 2011« – spektakuläres Eintreffen auf der Erde

Im Jahr 2011 brachte ein Meteorit frischen Wind in die wissenschaftlichen Diskussionen um unseren Nachbarplaneten Mars. Annahmen, die Erde sei nicht der einzige Planet im Sonnensystem mit Voraussetzungen für eine Evolution, wurden durch Marsmissionen bekräftigt. Der Forschung standen zudem seit vielen Jahrzehnten zahlreiche Fundstücke zur Verfügung, als deren Mutterkörper zweifelsfrei der Mars bestimmt wurde. Anlass für die jüngsten Publikationen ist der Marsmeteorit »Tissint 2011«, der 2011 in Marokko zur Erde fiel.

Für den Fall des Meteoriten gab es Augen- und Ohrenzeugen. Woher aus dem Sonnensystem der Feuerball kam, der in der Luft in viele Bruchstücke zersprang, ahnte niemand. Erleichtert wurde die Suche nach den Stücken durch die günstigen Umgebungsbedingungen. In der Tata-Region nahe Tissint (Marokko) verwitterten die Marsmeteoriten in den Wochen bis zum Fund wegen des Wüstenklimas nicht. Auch fand keine Kontamination des Steines »Tissint 2011« durch irdische Keime statt, so dass die Reste des Mutterkörpers in reinem Fallzustand zu den Laboren kamen.

Wie die Meteoriten-Fundstücke der gleichen Basaltgruppe, die Sherogitten, so entstammt »Tissint 2011« jenem Oberflächenmaterial des Mutterkörpers Mars, das vulkanischem Gestein auf der Erde ähnelt. Spannend macht die Erforschung auch dieses Marsmeteoriten die Frage nach Leben auf anderen Planeten unseres Sonnensystems. Als wahrscheinlichster Kandidat ist hier wegen des bereits existierenden Wissens der Mars populär.

Fossile Überreste im Innern von »Tissint 2011«

Im September 2012 sorgte eine Publikation über »Tissint 2011« für starkes Medieninteresse. Prof. Chandra Wickramasinghe gab bekannt, dass er in dem Marsmeteoriten viel Kohlen- und Wasserstoff gefunden habe, deren Produktion im Sonnensystem ausschließlich durch lebendige Organismen erfolgt.

Spannend machte seine Publikation, dass auch in früher untersuchten Meteoriten vom Mars fossile Bakterienspuren gefunden worden waren. Weil frühere Funde jedoch vorher sehr lange auf der Erde lagen, wurde in Betracht gezogen, dass die Spuren nicht vom Mutterkörper stammten, sondern erst hier auf den Stein gelangt waren.

Bereits im Marsmeteoriten »Nakhla« (gefunden 1911) wurde im Elektronenmikroskop eine versteinerte Bakterienkolonie nachgewiesen. Die neuesten Entdeckungen in »Tissint 2011« beweisen möglicherweise, dass der Mutterkörper Mars eine beginnende Evolution besaß. Mutmaßlich könnte der Planet vor mehreren Millionen Jahren Opfer einer gewaltigen Kollision mit einem Asteroiden des Sonnensystems geworden sein, die tief aus seiner Kruste Meteoriten und beginnendes Leben herausschlug.