Der 06. April 2002 ging in mehrfacher Hinsicht in die Geschichte ein. Polizeinotrufzentralen sowie Lokalredaktionen von Zeitungen wurden von tausenden Zufallsbeobachtern eines sehr hellen Meteoriten in der Erdatmosphäre alarmiert. Bei seinem Flug schreckte der Meteorit »Neuschwanstein« mit zitternden Fensterscheiben, lauten Trommelgeräuschen und donnergleichem Grollen die Menschen aus den Betten. Schließlich lieferte er nach Fund des dritten Bruchstückes einen kuriosen Beweis für eine unumstrittene juristische Tatsache.

Wofür steht Neuwschwanstein I, II und III?

Anhand des Absturzereignisses konnte man die Bruchstücke des Meteoriten im südlichen Bayern, um Neuschwanstein, in der Füssener Gegend und im Ammergebirge vermuten. Etwa 6 Sekunden vor dem Verglimmen beobachteten die Bürger, wie der Bolide in mehrere Fragmente zerbrach.

Diese glühten während ihres parabelförmigen »Abregnens« nach. Sobald die Region des Gesamtfalls eingegrenzt war, durchkämmten Meteoritenjäger das Gebiet nach der kosmischen Sensation »Neuschwanstein« wie ein deutsches Colorado.

Die einzelnen Bruchstücke des Meteoriten wurden in der Reihenfolge ihrer Entdeckung Neuschwanstein 1,2 und 3 genannt.

Für die Astronomen sensationell war die Möglichkeit, über simultane fotografische Aufzeichnungen die Fundgebiete des Meteoriten einzugrenzen. Erschwerend für die Präzisierung erwies sich, dass der Wind jener Nacht die Fragmente von der Flugbahn abgelenkte.

Die Rekonstruktion seines Umlaufs vor Eintritt in die Erdatmosphäre deutete darauf hin, dass der Mutterkörper der gleiche wie der des Meteoriden »Přibram« sein könnte. Jener ging 43 Jahre zuvor in der ehemaligen Tschechoslowakei nieder. Untersuchungen widerlegten jedoch die Zusammengehörigkeit. Der Meteorit »Neuschwanstein« ist 26 Millionen Jahre älter und damit unmöglich gleicher Herkunft.

Streit um den Neuschwanstein Meteorit

Die deutsche Gerichtsbarkeit befasst sich seit jeher mit den allerkuriosesten Auseinandersetzungen. Dabei erreichen nicht nur die Streitwerte galaktische Dimensionen. Der Meteorit entwickelte sich nach dem Fund seines dritten Fragmentes zum echten »Fall« – im juristischen wie im astronomischen Sinne. Das dritte und größte Fragment des Meteoriten »Neuschwanstein« erreichte in mehreren deutschen und österreichischen Gerichtsinstanzen im Verlaufe von fünf Klage- und Berufungsjahren einen Streitwert von 200.000 Euro, bevor es schließlich doch bei seinem deutschen Finder verbleiben durfte.

Nach deutscher Paragraphenschrift ist ein Gegenstand dann als »…schatzähnlich einzuordnen …«, wenn er einen Vorbesitzer hat oder lange im Verborgenen lag. Der Vorbesitzer des Meteoriten konnte nach 48 Millionen Jahren nicht mehr ermittelt werden. Dennoch wurde nach modernen Rechtsregeln eine Weile vorher für zwei Fragmente des Meteoriten »Neuschwanstein« ein »Schatzfund« angenommen. Nach österreichischem Gesetz gilt ein Meteorit in freier Natur als Mineral. Ein solches darf von jedermann – allerdings ohne Bergungsgerät – eingesammelt und behalten werden.