Der »Run« nach den kühnsten astronomischen Forschungsprojekten war nicht immer nur ein wissenschaftliches Wettrennen der Nationen. Zu Zeiten des »Kalten Krieges«, der in den 70ern in vollem Gange war, trieben vor allem die Bemühungen der USA und der UdSSR den Bau modernerer Teleskope voran.

Die UdSSR stellte 1974 mit dem Radioteleskop RATAN600 im Kaukasus den noch immer weltweit größten Radiospiegel der Welt am Rande des Selentschuk-Observatoriums auf. 1975 folgte mit BTA-6 die Inbetriebnahme des für lange Zeit weltweit größten astronomischen Einzelspiegels.

Das Selentschuk-Observatorium

1966 wurde das Selentschuk-Observatorium gegründet, um die erdgebundene Himmelsbeobachtung im internationalen Maßstab zu revolutionieren. Noch immer gilt es in Russland als größtes Zentrum für Forschungsprojekte, die mit Hilfe von Teleskopen von der Erde aus durchgeführt werden.

Mit mehr als 2.000 Meter über dem Meeresspiegel ging zunächst das Radioteleskop RATAN 600 in Betrieb. Bis heute besitzt es durch seine Anordnung und Dimensionen den weltweit größten Durchmesser eines Radioteleskops weltweit.

Nicht sparsamer in Gewicht und Ausmaßen wurde das optische Teleskop BTA-6 mit dem Ziel gebaut, alle bisherigen Spiegelmaße zu übertreffen. Aufgrund technischer Schwierigkeiten gelangen Forschungsprojekte des Schwergewichts nach einem erfolgreichen »First Light« 1975 erst ab 1977.

Die Spiegel des VLT (»Very Large Telescope«) beendeten dennoch erst ca. 20 Jahre danach in Präzision und Spiegeldurchmesser den russischen Weltrekord des Selentschuk-Observatoriums. 

Radioteleskop RATAN 600

Im Nordkaukasus wurde 1974 ein Teleskop für Forschungsprojekte zum Empfang astronomischer Signale aufgestellt, der bis heute von einzelnen Radioteleskopen nicht wieder erreicht wurde. RATAN600 ist ein Kreisgebilde von 576 Metern Durchmesser, der lückenlos von 895 Reflektorplatten gebildet wird.

Nach dem wissenschaftlichen Novum des Selentschuk-Observatoriums erreichten solche Maße erst wieder Zusammenschaltungen, beispielsweise des »Very Large Arrays« (1980). Die Form und Funktion des RATAN 600 sowie späterer Nachbauten inspirierten zahlreiche Science Fiction-Literatur und –verfilmungen.

Jedoch wogen die Ergebnisse des RATAN 600 die enormen Bau- und Betriebskosten nicht auf, die für die Forschungsprojekte bisher aufgewendet wurden.

Ein Problem dieses Erstlings am Selentschuk-Observatorium bleibt nach wie vor die Abbildungsqualität. Zwar wird eine Winkelauflösung von 2 Bogensekunden erreicht, doch tauglich sind die Platten des Teleskops eher für Wellenlängenempfang zwischen 2 und 50 cm.

»Weißer Elefant« – Spiegelteleskop BTA-6

Ein Jahr nach Inbetriebnahme des Radioteleskops RATAN 600 empfing der damals weltweit größte Einzelspiegel der Welt mit 6 Meter Durchmesser sein »First Light«. Erste Forschungsprojekte konnten mit dem BTA-6 jedoch aufgrund technischer Schwierigkeiten erst 1977 in Angriff genommen werden.

Die Besonderheit dieses Teleskops liegt darin, dass es nicht parallaktisch, sondern azimutal montiert war und dadurch eine Nachführung während der Beobachtungszeit benötigte. Dieses Erfordernis löste das Selentschuk-Observatorium mit einer Computersteuerung, die jedoch wegen des ungünstigen Standortes zunächst nicht voll einsatzfähig war.

Das weltweit größte Teleskop BTA-6 schürte von Anbeginn die internationale Gerüchteküche. Gleich nach dem »First Light« verdeckten die russischen Betreiber Oberflächenrisse mit schwarzen Tüchern vor den Spähern aus »dem Westen«.

Schließlich wurde ein intakter Spiegel mit verbesserten Material- und Beobachtungsbedingungen 1977 installiert und mit ihm endlich Forschungsprojekte durchgeführt. Neben den technischen Schwierigkeiten sorgen bis heute die ungünstigen Klimaverhältnisse am Selentschuk-Observatorium für den Beinamen des BTA-6 »Weißer Elefant« – ein historischer, thailändischer Begriff für »Geschenke«, deren Wartungsaufwand die Beschenkten (ursprünglich in Ungnade gefallene Höflinge) ruinieren kann.

Forschungsprojekte am Selentschuk-Observatorium

Den Schwierigkeiten zum Trotz werden beide Superlative des Selentschuk-Observatoriums von einem ebenso beeindruckenden Mitarbeiterstab betreut.

Etwa 400 Personen warten die Teleskope mitsamt aller zugehörigen Technik, ca. 100 russische Wissenschaftler beobachten am RATAN 600 sowie mit dem BTA-6 Galaxien, Blitze und Himmelskörper im Rahmen großangelegter astronomischer Forschungsprojekte.

Mit der Technik des RATAN 600 und des BTA-6 sowie den Aufnahmen aus dem »Galaxy Zoo Project« (Weltweites astronomisches Bürgerprojekt mit Berufs- und Hobbyastronomen) gelang dem Selentschuk-Observatorium im Rahmen von Forschungsprojekten beispielsweise die genauere Untersuchung von Polarring-Galaxien, die als Resultat von Galaxieverschmelzungen unter besonderen Umständen gelten.

Auch HL Tauri-Jets in werden mit den Teleskopen erfolgreich erforscht, ebenso wie seltene Exemplare von »Louminus-Blau-Veränderlichen«, die schwersten, heißesten, hellsten und seltensten aller bisher bekannten Sternentypen.