Vom Freistaat Thüringen erwartet man viel grünen Wald, einige kulturelle und kulinarische Attraktionen, doch sicherlich kein Observatorium mit einem Teleskop von Weltformat.

Und doch steht Deutschlands größtes Teleskop an der »Thüringer Landessternwarte Tautenburg« (nachfolgend: TLS). Darüber hinaus lässt sich das Alfred-Jensch-Teleskop zum Zwecke astrofotografischer Beobachtungen in einen Modus verändern, mit dessen technischen Einstellungen es das derzeit größte Schmidt-Teleskop der Welt ist.

Seit dem Frühjahr 2005 werden die Forschungsprojekte des Thüringer Observatoriums international mit großem Interesse verfolgt.

Tautenburger Wald (Thüringen) – Standort mit Tradition

Die einstige »Deutsche Akademie der Wissenschaften Berlin« war zu ihren »Glanzzeiten« die bedeutendste Gelehrtensozietät Ostdeutschlands. 1960 erbaute die Akademie die TLS mit dem Ziel, mit eigenen Forschungsprojekten im internationalen Wissenschafts-Wettbewerb mitzuhalten.

Durch die Installation des Alfred-Jensch-Teleskops fand das Thüringer Observatorium die Beachtung, die es sich von der Investition erhofft hatte. Zwar ist die Standortgegend kein optimales Gebiet für Beobachtungen, jedoch steht die Sternwarte in Thüringen auf einer der Anhöhen östlich der Saale, wo astronomisch leicht bessere Bedingungen herrschen.

Obwohl weltweit neue Observatorien mit immer ausgefeilterer Technik aus dem Boden gestampft wurden, hält das Alfred-Jensch-Teleskop durch seine technische Besonderheit bis heute den Rang des derzeit größten Schmidt-Teleskops der Welt.

Die Instrumentenausstattung an der TLS ist vergleichsweise einfach. Statt auf viel Technik setzen die Astronomen in Thüringen auf ausgeklügeltes Zusammenspiel der Instrumente. Spätestens seit den Beobachtungen 2002 und den sensationellen Entdeckungen 2005 verfolgen Medien und internationale Wissenschaftsinstitute die Forschungsprojekte des »verschlafenen« Thüringer Standortes mit großem Interesse.

Geschichte der TLS

Geplant war der Bau der TLS schon in den 30er Jahren. Die Erstidee stammt vom Astronomen Guthnik und seinen Diskussionen mit Carl-Zeiss-Jena, damals noch Jenaer Zeisswerke.

Zu einem Plan- und Bauantrag für das Alfred-Jensch-Teleskop zum Zwecke astronomischer Beobachtungen kam es erst 1949. Beschlossen wurde alles 1956 von der »Deutsche Akademie der Wissenschaften Berlin« mit dem Ziel, durch Forschungsprojekte auf deutschem Boden im internationalen Wissenschaftsstreben Anerkennung zu finden.

Bei den Standortüberlegungen kam Tautenburg in Thüringen hauptsächlich wegen seiner örtlichen Nähe zu Carl-Zeiss Jena und der dortigen Universitätssternwarte in die engere Auswahl.

Die Entscheidung für Thüringen als Standort für die TLS fiel aus politischen Gründen. Alle anderen Kandidaten befanden sich entweder auf westdeutschem Staatsgebiet, in zu großer Grenznähe dorthin oder hätten zu nahe an Transitstrecken Ost-West gelegen.

Auch die seismische Ruhe des Standorts förderte die Zustimmung zum Bau des Alfred-Jensch-Teleskops im Tautenburger Wald. Von den Baufortschritten profitierte die Gegend durch nötige Erschließungsarbeiten. Schließlich wurde der Zeitpunkt der ersten Beobachtungen (»First Light«) mit dem 16.11.1960 (16:00 h) protokolliert.

Ziel der 1,6 Millionen DM Investition war es, mit ostdeutschen Forschungsprojekten die anderen Nationen zu erreichen, möglichst sogar zu übertrumpfen. 

Das Vorzeigeinstrument der TLS

Das Prunkstück der TLS in Thüringen blieb bis heute das 2-m-Teleskop (Alfred-Jensch-Teleskop) mit seiner möglichen Dreifachkonfiguration. Ein besonderer Vorteil der Beobachtungen in allen 3 optischen Ausführungen ist das Spiegelmaterial »SITALL«.

Es ist von glaskeramischer Struktur und verursacht bei Temperaturschwankungen nahezu keine Verformungen. Mit dem sphärischen Hauptspiegel kann für Forschungsprojekte eine Brennweite von 4 Metern genutzt werden.

Im »Schmidt-Modus« gilt das Schmidt-Teleskop der TLS mit 2 Metern Spiegeldurchmesser des Hauptspiegels bis heute (2012) als größter Spiegel seiner Art weltweit.

Mit den angebrachten Einrichtungen am Alfred-Jensch-Teleskop können Spektren von sehr geringer Dispersion gewonnen werden. Astrofotografien mit photographischen Platten sind ein wichtiges Instrument, um Beobachtungen nachträglich auszuwerten.

Eine CCD-Kamera fängt am Standort in Thüringen auch feine Details bestimmter Forschungsprojekte besonders hochwertig ein.

Astronomische Forschungsprojekte in Thüringen

Der Quasi-Cassegrain- oder Nasmyth-Modus des Alfred-Jensch-Teleskops dient an der TLS zur Spektroskopie schwacher Objekte. Forschungsprojekte zur Untersuchung von Exoplaneten machten Thüringen mit Hilfe dieser Optik international bekannt. Im dritten Modus, dem Coudé-Modus, werden Beobachtungen an Sternen in sehr breitgefächerten Spektralbereichen vorgenommen.

Speziell zur Erforschung von Exoplaneten wurde 2007 ein 30-cm Teleskop (TEST) an der TLS in Betrieb genommen. Für Forschungsprojekte zur Sternentstehung gibt es seit neuestem LOFAR, ein Radioteleskop, dessen Antennenfelder für Beobachtungen über ganz Europa verteilt sind. Damit wird die Empfangsweite beispielsweise des Arecibo-Teleskops (305 m) weit übertroffen.

Am Standort in Thüringen steht nur eines dieser Antennenfelder. Die beiden letztgenannten Teleskope erreichen zusammen mit dem Alfred-Jensch-Teleskop einen international konkurrenzfähigen astronomisch-technischen Standard.