Unter den heutigen Superlativen der Großteleskope geraten historische Vorläufer leicht in Vergessenheit. Nur wenige der »Methusalems« werden unter modernen Nachrüstungen noch für Beobachtungen verwendet.

Doch gäbe es beispielsweise nicht das Yerkes-Observatorium – nebst seinem großzügigen Sponsor -, dann wären Forschungsprojekte zur Entwicklung des Universums, zur Suche nach Exoplaneten oder den wesentlichen Eigenschaften der Sonne möglicherweise nicht auf dem rasanten Weg der Fortschritte, wie wir ihn kennen.

Das bis heute weltweit größte Linsenteleskop wurde 1897 am Lake Geneva (Wisconsin / USA, Nähe Chicago) eingeweiht.

Eine Idee von Weltformat – und ihre menschliche Schattenseite

Hale wurde zu Lebzeiten für seine kühnen Ideen und zukunftsweisenden Beobachtungen anerkannt. Zwischen 1891 und 1897 gelang ihm mit Hilfe seines Professors Harper die Inanspruchnahme des amerikanischen Industriellen Yerkes für den Bau eines bis dorthin einzigartigen Observatoriums mit dem Ziel einzigartiger Forschungsprojekte.

Unter einigen technischen wie menschlichen Pannen entstanden Rohbau und Technik des Yerkes-Observatoriums. Bis dato wurde kein größeres Linsenteleskop gebaut und betrieben. Die Nutzung ist heutzutage wegen der enormen Luft- und Lichtverschmutzung in der Nähe Chicagos (USA) kaum noch möglich.

Während Hale, der Initiator der Sponsorensuche, der Planung des Baus des Yerkes-Observatoriums und stärkster Befürworter der geplanten Forschungsprojekte, für sein Werk gefeiert wurde, blieb Yerkes, der Geldgeber, zu Lebzeiten so unbeachtet wie vor der Finanzierung der astronomischen Beobachtungen. In den gesellschaftlichen Kreisen seiner Heimat USA wurde das Linsenteleskop als selbstverständliche Errungenschaft Hales gefeiert und Yerkes‘ Anteil als selbstverständlich angesehen.

Großer Plan mit zukunftsweisenden Erkenntnissen

102 cm Öffnungsweite und 19,7 Meter Brennweite – das war Ritcheys bis dorthin größter Bau eines Linsenteleskops. Doch das Beispiel des Yerkes-Observatoriums zeigte sogleich nach Inbetriebnahme gleich mehrere Nachteile. Sowohl die Mechanik, so die Erkenntnisse, müsste für künftige Beobachtungen wesentlich stabiler ausgelegt werden.

Auch litten geplante Forschungsprojekte unter materialbedingten Eigenschaften dicker Glaslinsen. Dies führte für künftige Baupläne zur zunehmenden Bevorzugung von Spiegelteleskopen. Schon zwanzig Jahre später ging in den USA ein weiteres Großteleskop in Betrieb, das aus den Fehlern seines dennoch erfolgreichen Vorgängers gelernt hatte.

Beachtlich war am Yerkes-Observatorium schon einmal sein hohes Eigengewicht. Verteilt auf das lange Rohr mit ordentlichem Gewicht, erfolgte eine merkliche Durchbiegung.

Die dicke Glaslinse, die ein Linsenteleskop solcher Öffnungsweite nun einmal erfordert, absorbierte einen Teil des Lichtes, der somit nicht für sinnvolle Beobachtungen verfügbar blieb. Damit Forschungsprojekte in millimetergenauem Blickfeld gelangen, war eine sehr feingängige Montierung erforderlich. Am Vorreiter in den USA war die Stabilität einer solchen Mechanik noch nicht ausgereift.

Bis heute wird am Yerkes-Observatorium geforscht

Zwar haben sich die technischen Voraussetzungen für heutige Beobachtungen erheblich verändert. Da allerdings auch die modernsten Forschungsprojekte klassische Vorbilder für ihre Ausstattung verwenden, bleiben selbst Relikte wie das Yerkes-Observatorium »in Würden«.

Das international größte Linsenteleskop mag Einschränkungen aufweisen. Doch sowohl für Forschungs- als auch Ausbildungszwecke ist es ein Vorzeigeobjekt der USA für Studenten, Professoren und Berufsastronomen aus aller Welt geblieben.

Zu dem großen Refraktor des Yerkes-Observatoriums gesellten sich inzwischen ein 61-cm-Reflektor und kleinere Spiegelteleskope, die ausschließlich Ausbildungszwecken dienen. Aktuelle Forschungsprojekte sind derzeit die Erforschung interstellarer Materie, die Beobachtung des Aufbaus von Kugelsternhaufen sowie erdnaher Asteroiden.

Seinen Zweck, die Erforschung beispielsweise der Eigenschaften der Sonne, erfüllt das Linsenteleskop auch heute noch hervorragend, trotz immer schlechterer Beobachtungsbedingungen in den USA.